Kants Nachfolge
Lehrstuhl Nachfolge
Tim Kunze
Als Kant 1804 starb, galt er bereits als intellektuell überlebt. Vier Jahre nach Novalis‘ „Hymnen an die Nacht“ und drei Jahre vor Hegels „Phänomenologie des Geistes“ war die aufklärerische Philosophie eines Kant bereits ein Erbe, das es nach der Ansicht vieler zu überwinden galt. Auch die Suche nach einem passenden Nachfolger für Kants Lehrstuhl gestaltete sich schwierig, denn auf eine profilierte Kant-Schule konnte man sich nicht stützen.
Dies überrascht, hatte Kant doch sein gesamtes berufliches Leben an der Königsberger Albertus Universität verbracht. Von 1755 bis 1796 lehrte er hier ununterbrochen, zunächst als Magister und Privatdozent, seit 1770 dann als Professor für Metaphysik und Logik. Andere, auch vorteilhaftere Angebote hatte er abgelehnt, selbst als der Kultusminister Karl Abraham von Zedlitz ihn nach Halle an die größte deutsche Universität locken wollte, blieb er Königsberg treu. Als beliebter Lehrer mit vollen Vorlesungssälen sammelte er einen großen Schülerkreis, der ihm – zumal in Königsberg selbst – auch nach dem Studium eng verbunden blieb. Zur Hochzeit seines Ruhms in den 1780er- und 1790er-Jahren gelang es Kant außerdem, zahlreiche Freunde und Anhänger auf universitäre Posten zu heben: so den Mathematiker Johann Friedrich Schultz, seinen frühesten Kommentatoren, und vor allem Christian Jakob Kraus, der die praktische Philosophie übernahm und an der Philosophischen Fakultät quasi das empirische Gegenwicht zum spekulativen Kant war. So wirkte Kants aufklärerisch-liberaler Geist zwar fort und befruchtete z. B. die späteren preußischen Reformen, philosophisch aber war die Königsberger Universität nie eine Hochburg des Kantianismus.
Es brauchte zwei Anläufe, bis ein Nachfolger für Kant gefunden war. Der Lehrstuhl war seit Kants letzten Vorlesungen 1796 – damaligem Brauch entsprechend – nicht neu besetzt worden. Kurz nach Kants Ableben meldeten in einem ersten Anlauf zunächst zwei wenig profilierte Königsberger Dozenten Interesse an, die der Senat als ungeeignet ablehnte: August Wilhelm Wlochatius und Johann Friedrich Gottlieb Lehmann. In einer Senatssitzung wurden geeignetere Dozenten vorgeschlagen, die aus finanziellen und persönlichen Gründen aber nicht einwilligten (Karl Ludwig Pörschke, Johann Friedrich Gensichen und Johann Friedrich Schultz). So blieb der Lehrstuhl im Sommersemester 1804 unbesetzt. Im Winter 1804 empfahl Berlin den aufstrebenden Gelehrten Wilhelm Traugott Krug. Seine synkretistische Philosophie des gesunden Menschenverstands sollte ein Gegengewicht zu dem um sich greifenden romantisch-idealistischen Geist in Preußen bilden. Allerdings bedeutete auch Krug keine Fortsetzung des Kantischen Erbes. Darüber hinaus erfüllten sich die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht, denn er trat seine Stelle erst mit Verzögerung 1805 an und verließ Königsberg bereits 1809 wieder. Mit dem Nachfolger Johann Friedrich Herbart entfernte sich die Universität noch weiter vom Kantischen Erbe. Die Renaissance der Kantischen Philosophie im Neukantianismus hatte ihre Zentren deshalb auch fern ab von Königsberg, nämlich an den Universitäten von Marburg, Heidelberg und Freiburg. Nur einzelne Professoren der Königsberger Universität wie Karl Rosenkranz erneuerten zeitweise die offizielle Erinnerung an Kant.
Praes. d. 25ten Febr. 1804
Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden Koenig von Preußen pp.
Unseren gnädigen Gruß zuvor. Wuerdiger und Hochgelahrte, liebe Getreue! Wir lassen Euch die allhier eingekommenen Vorstellungen der Professoren Wlochatius und Lehmann, resp. vom 14. und 1…[Papierschaden] dieses abschriftlich zufertigen, und gegenwärtigen Eures gut…[Papierschaden] lichen Berichts, wer von denen extraordinairen Profess…[Papierschaden] sich am meisten zu der durch das Absterben Professors Kant erledigten Stelle qualificiret, und habt Ihr gleich das Gehalt und saemtl. Emolumente dieser Stelle anzuzeigen. Sind Euch in Gnaden gewogen. Königsberg den. 16. Februar 1804.
Koenigl. Ostpr. Etats-Ministerium
Herr Geh. Rath Metzger
An den Academischen Senat
Copia
Allerdurchl. p.p.
Bei der durch Absterben des Professors Kant entstandenen Vacance einer ordinairen Professorenstelle der Logik u. Methaphisik, erdreiste ich mich E. K. M. anzutreten und zu bitten mir gedachte ledig gewordene Proffessorenstelle mir p. zu konferiren.
Gerade diese Wißenschaften, Logik u. Mataphisik, sind vor den andern, für die philosophische Facultät gehörigen Wißenschaften stets mein Lieblings-Studien gewesen, u. habe ich selbige in den vollen 34 Jahren u. 6 Monaten, in welchen ich als Privatlehrer auf der hiesigen Universität arbeite, fleißig u. allen Jahren tradiret wie solches die halbjährigen Catalogi lectionum, u. auch 9 Dissertationes, die sämtl. dahin einschlagen, u. die ich öffentl. heraus gegeben u. gehalten habe, hinlaenglich beweisen.
Geruhen E.K.M. mit dieser ordinairen Professorenstelle der Logik u. Mataphysik mich zu beglücken, damit ich meine academischen Bemühungen ferner zum Nutzen der studierenden Jugend anwenden, u. so die mir erworbenen Kenntniße in den höhern Fächern, auch noch weiterhin gemeinnüzzig machen könne.
Mein Wunsch ist immer dieser gewesen, auf der Universität bis an mein Ende Lehrer zu bleiben, u. mein Eifer in Unterrichtung der Jugend wird und muß desto mehr zunehmen, wenn ich auch ein stehendes Gehalt als ordentlicher Professor bekomme, nachdem ich bereits nun so gar lange Zeit von 34 Jahren u. 6 Monaten, als Privatlehrer, ohn u. alle öffentliche Vergeltung, habe arbeiten u. mein Leben kümmerlich u. mit vieler Mühe und Sorge zubringen müssen.
in Erwartung p. ersterbe
pp.
Aug. Wilhelm Wlochatius
Außerordentlicher Professor der Philosophie
Königsberg, d. 14 Febr. 1804
Copia
Allerdurchl. p.p.
Durch das erfolgte Absterben des Professor Kant ist die ordentliche Professur der Logik u. Methaphisik bei dieser Academia vacant geworden, u. ich auferste mich E. K. M. Gnade & anzuflehen, mir diese Lehrstelle zu konferiren.
Ich ersterbe
EKM
Lehmann extraord. Professorÿ
An den Academischen Senata
Cancellarie et Direct. Illustris Senatoris amplissimi.
Nachdem unser verewigter Kant zu seiner Ruhestätte gebracht worden, ist es unsere Pflicht auf die Besetzung seiner Lehrstelle zu denken.
Es haben sich die Herren Prof. Wlachatius und Lehmann beÿ der Philosophischen Facultät, theils beÿ dem Senat, auch beÿ E. K. Etat-Ministerio gemeldet.
Ersterer hat zwar lange als Privatlehrer Collegia gelesen, ist aber alt, und die Lehrstelle würde bald wieder vacant werden; letzterer ist der gelehrten Welt wenig bekannt. Die Erwartung des hiesigen und auswärtigen Publici ist auf Kants Nachfolger gerichtet.
Herr Prof Poerschke, der Logic und Mataphÿsic mit großem Beÿfall liest, deßen Vorlesungen Kant selbst empfahl, der auch als Philosoph durch seine Schriften rühmlichst bekannt ist, wäre derjenige der in Kants Stelle empfohlen werden könnte. Vielleicht werde Herr Prof Poerschke seine Professur der Poesie mit der Professur der Logic und Mataphÿsic vertauschen, wenn Senatus amplissimus ihn mit dem ehrenvollen
Antrag
[an der Seite:] Herr Geh. Rath Metzger
Antrage, Kants Nachfolger zu werden, auffordere.
Ich lege das Anschreiben der Philosophischen Facultät nebst Ein- und Beÿlagen, das Vorstellen des Prof Lehmann und das Rescript E. K. Et. Minister. beÿ.
Elsner
d. 28. Febr. 1804
Die guten Wünsche welche die Philosophische Facultät äußert und die Befürchtungen, welche die bekannte Crisis in der die speculative Philosophie sich befindet, hegen läßt, würden durch den Voschlag
Ser. Magnificenz erstern erfüllt letztern gehoben werden.
auedo itaqaud [?] …. d. 29. Febr. 1804
Ich trete dem Vorschlage Sr. Magnificenz mit Illustri Cancellarie völlig beÿ J. Schultz J. E. Schulz,
eodem 21. Märtz 1804
Ich gleichfalls, doch muss ich noch dabey bemerken
- Ob es Senat. Ampl. nicht gut finden würde bey dieser Gelegenheit an Prof Gensichen zu denken, der sich mit der Kantschen Philosophie vertrauter gemacht hat, und da er seinen ganzen Vortrag und seinen ganzen Fleiß der Mathematik, gewidmet, so wünschet er freylich lieber diese Stelle nicht zu erhalten, wenn er gleich noch warten müßte.
Sonst glaube ich daß dieser unter andern Competenten der vorzüglichste seyn würde, wenigstens, überlasse ich es Senat. Ampl. ob an ihn nicht zu denken wäre - Schon nach einem alten Rescript, solle dem Bericht züglich ein Consignat der Emolument beygefügt werden, die Defunctus in verschiedenen Rücksichten als Profess. als Senator gehabt, um gewisse Unrichtigkeiten in Anweisung des Salerii des neuen Nachfolgers zu vermeiden, und das erste Rescript d.d. 16 Februar a.c. erinnert auch daran, Prof Gensichen hat diese specifiret schon den 22. huj. zur Kvester Sr. Magnificenz zu geschickt. Diese waren dem Bericht beyzufügen und dabey zu bemerken
a) das blos das Gehalt des Prof Ord. que dates[?] vacant waren
b) die Emolumente Senatoris fallen jetzt der Statuten gemäß, dem zu, der jetzt nach Folge in der Facultät ge
[Nebenschrift links, schlecht lesbar – Papierschäden:
Not. Der neue Professor erhält den Antheil an den Initiations
Gebühren, die im Etat auf 25 …. th – im halben – angenomm… …t, erst als denn, wie er Senato gelangt. == s.a. Consignation 18+19.tif]
mäß in den Senat getreten, also itzt H. D. Wald.
3. Das Emolument des Senatoris fide ex Rohdiano nach textamentarischer Disposition des Stifters dem Ältesten oder Ersten Prof. in der philosophischen Facultät
4. Die Extraord. Zulage von 200 rth war eine freye Begnadigung von Sr. Maj. gewesen, würde also durch derselben zu ferner überlassen Reusch 12. März 1804
Ich habe gleichfalls nichts dagegen Jg. Hasse[?]
Ich trete zwar der Meynung Rect. Magnif. u. Ill.. Cacell. in der Hauptsache bei, zweifle aber, ob ge. Prof. Päschke hierbei eine Verbesserung finden werde, da er als Prof. Poes. [Seitentext] einige Stipied. u. eine sehr einträgliche Censur hat, welche bei der Logischen Proffessur beinahe ganz wegfällt. Übrigens bitte ich auf jeden Fall den Bericht der Philos. Fac. dem Senatsberichte an Kg. Et. Min. beizulegen.
…[Wald?] 9te März 1909
In dieser Sache, welche nach der eingeführten Vertheilung, zu meinen Department gehört, würde ich gern Magnifico Rectori und Ill. Cancellario beystimmen, wenn ich nicht vermuthete, dass Herr Prof. Poerschke den vorgeschlagenen Tausch, nicht gern eingehen dürfte. Ich habe schon sehr darüber nachgedacht, durch wen wohl Kants Lehrstelle zur Zufriedenheit des gelehrten Publicums und zum Vortheil der Studierenden am besten besetzt werden dürfte und fiel auf den Gedanken, dass Herr Hofprediger Schultz, dieser Mann welcher. Er war es, der zuerst durch seine Erläuterungen über Kants Critik der reinen Vernunft, Königs. 1784, der neuen Philosophie mehr Eingang verschaffte und zeigte, dass er, vielleicht damals noch hier der einzige Kanten völlig verstand. Auch im Ausland ist er als der erste würdige Commentator der kritischen Philosophie anerkannt worden. Sollte sich Hr. Hofprediger nicht entschliessen die Kantsche Lehrstelle zu übernehmen und die seinige dem würdigen und um uns so sehr verdienten Gensichen zu übertragen? Billig ist es, darf dieser vor H. Lehmann in eine ordinaire Lehrstelle eintreten, welcher im Fall mein Vorschlag nicht im Traum ist, noch immer die Ausschicht zu einer künftig vacanten übrig behält. Wlochatius als Nachfolger Kants würde mit seinem Vorgänger einen allzu grellen Contrast machen und Hr. Lehmann ist, wie Rector Magn. richtig bemerkt haben, der gel. Welt noch zu wenig bekannt.
Metzger 3. Mart 1804
Ich trete vorstehenden Voto exc. Med. I. in allem bey
Praes
Ich muß mich, wegen meines kurzen Auffenthalts im hiesigen Orte und der daraus hervorgehenden geringen Kenntnyß der Herrn Prof. extraord. bescheiden, daß mein Votum in dieser Sache nicht bedeutend seyn kann und daß ich auch sehr gern dem besseren Ermessen meiner würdigen Herrn Collegen überlasse. Jedoch scheint mir das Votum des Hr. Geh. R. Metzger das Beste. Als denn hätten auch beide Prof. extraord. Hr. Gensichen und Lehmann Hoffnung zur Brförderung, ersterer sogleich, letzterer nach einer kurzen Zeit, denn daß wir auf die Prof. extraord. vorzüglich zu sehen haben, liegt wohl in der Natur der Sache. Hr. Wlochatius hat, soviel ich weiß, sich um den Academie Senate … jur. … entgegen d. 4ten Marz Heedemann
P.
Diese vorläufige Capsulation wegen Besetzung der Lehrstelle des Kant ist durch Exc: Med. I. bey dem Consesse Senat. zum Vortrage zu bringen
Fesner d. 11 Mart.
Copia des Anschreibens der philosophischen Facultät zur Beylage des künftigen Senatsberichts wird beygelegt.
Namenszeichen
praes d. 22ten Februar 1804
[Randnotiz links
P:
Per Capsulam Senat ampli. vorzulegen
Namenszeichen]
Rector Academiae Magnifice;
Cancellarie et Director illustres,
Senatores S. Venerandi, Consullissimi, Experientissimi,
Excellentissimi
Durch das am 12. Jan huj, erfolgte Ableben unseres würdigen Seniors Prof Kant, ist die ordentliche Lehrstelle der Logik und Metaphysik erledigt worden. Wir müssen offen herzig gestehen, daß uns, sowie der ganzen Academie, sein Verlust unersetzlich seÿ.
Es haben sich zwar die Prof. extraord. Wlochatius und Lehmann in diesen Tagen bei uns mit der dringenden Bitte gemeldet, sie zu der hiedurch erledigten Professur zu empfehlen; wir überreichen auch Ew. Magnificenz und E. Hochlöblichen Academiae Senate, in der Anlage, ihre Vorstellungen und einige von ihnen bisher herausgegebene Schriften mit der pflichtmäßigen Bemerkung daß Wlochatius 34 Jahre und Lehmann 7 Jahre auf der hiesigen Academie als Privatlehrer und resp. Prof. extraord. so oft Logik und Metaphysik gelesen haben, als sich zu ihren Collegiae Zuhörer fanden.
Wie müssen aber auch, unserer Pflicht gemäß, hinzufügen, daß es besonders bei der geringen Anzahl öffentlicher und Privatlehrer unserer Facultät, für die studierende Jugend vortheilhaft wäre, wenn auch nicht allein in Logick und Mataphysick
geübter, sondern auch in andern Kenntnißen (wie unser Kant) wohl bewanderter Gelehrter den erledigten Lehrstuhl bekäme.
Ein solcher Mann würde auch schon darum weder ein philosophischer Revolutionär noch ein schlauer Nachbeter unseres verewigten Philosophen seyn. In dieser Hinsicht glauben wir, die ehrfurchtsvolle Hofnung äußern zu dürfen, daß E. Hochpreisliches Obercuratorium der Königl. Universitäten dafür zu sorgen geruhen werden, daß nicht zur Schmach unsres Kants und zum größten Nachtheil der hiesigen Studierenden ein philosophischer Sectirer herkommen, sondern vielmehr ein Gelehrter, der unserer Jugend, um sie zu reallen Denkern zu bilden, vielmehr dahin zu bringen suche, daß sie das Kantsche System erst richtig verstehen lernen, indem es auf den Fall, daß sich jetzt ein solcher Mann sich nicht vorfände, besser seyn dürfte, die ganze stelle vor der Hand unbesetzt zu laßen.
Mit den Empfindungen der reinsten Ehrfurcht verharren wir
Ew. Magnificenz und. E. Hochlöbl. Akademischen Senats
gehorsamste Diener
Decanus Senior und übrige Professoren
der Philosophischen Facultät
Wald
d. d. decanus
Kgsberg, d. 18. Feb. 1804
Decane Spectabilissme
Viri amplissimi, doctissimi,
Honoratissimi
Da durch Absterben des Herrn Professor Kant die Stelle eines Professoris ordinarii der Logik und Metaphysik vacant worden; So hab ich Ew. Spektabilität und einer philosophischen Facultät hiemit gehorsamst bitten wollen, die Gelegenheit zuhaben und mich zu der gedachten brachgewordenen ordinairen Professorenstelle in Vorschlag zu bringen und aufs beste zu empfehlen.
Logik und Metaphysik ist stets mein Lieblingsstudium gewesen, welche Wißenschaften ich auch in den itz vollen 34 Jahre und sechs Monate, in welcher langen Zeit ich auf der hiesigen Universität als Privatlehrer gearbeitet habe, daher
oft vorgetragen, welches die Catalogi lectionum von den vielen Jahren bezeugen werden, wenn ich denn auch verschiedene Disputen, die sämtlich in gedachten Wißenschaften einschlagen öffentlich gehalten habe.
Was meinen Wandel und Führung betrifft, zweifle ich nicht, daß ich mich immer so benommen, als es mein Stand erfordert habe. Auch kann ich mir mit Grund der Wahrheit schmeichelen, daß mein Betragen gegen die gesamte philosophische Fakultät immer so gewesen, daß ich mit Recht in Vorschlag gebracht und weiter empfohlen werden könne.
In Erwartung einer solchen besonderen Gelegenheit, hab‘ ich die Ehre mich zuunterzeichnen
Ew. Spektabilität
und Euer Philosophischen Fakultät
gehorsamster Diener
Aug. Wilh. Wlochatius
Außerordentl. Professor der Philosophie
Königsberg, d. 13. Februarius 1804
Wohlgebohren, Hochgelahrte,
Hochzuverehrende Herren
Ich habe mich bei Einem Hochweisen Senat zu der ordentlichen Lehrstelle der Logik und Mataphisik auf dieser Universität gemeldet. Diejenige Facultät, in deren Bezirk diese Stelle zu treffen ist, muß allerdings ein entscheidendes Gewicht haben, der Wahl der Kandidaten einen Ausschlag zu geben. Es können nun freilich Rück-
sichten
sichten statt finden, welche für mein Gesuch nicht förderlich sind. Dennoch habe ich unter Ihren Augen meine academische Bahn gemacht; sie kennen meine Liebe zur Speculation, und können am besten wissen, wiefern, wenn ich nun zurückblicke, die Aussichten für mich geschlossen sind. Aus diesen Gründen bitte ich gehorsamst diese Empfehlung an Ihre Güte und zu Ihrer Beförderung meines Ansuchens in Empfang zu nehmen; und habe ich die Ehre mit allem Respect beharren
Ew. Ew. p. Wohlgeboren
gehorsamster Diener
Lehmann, Prof extr.
Königsberg d. 16.Febr. 1804
Praes. d. 14ten. Febr. 1804
Rector Academiae Magnifice;
Cancellarie illustris,
Senatores amplissimi
[Randnotiz links
P:
Per Capsulam Senat ampli. vorzulegen
Namenszeichen]
Wenn ich mich zu der, durch den Tod des Professor Kant erledigten, Lehrstelle der Logik und Metaphisik auf hiesiger Academie melde, so darf ich auf die Geneigtheit eines Senatus amplissimi aus dem Grunde viel hoffen, weil mein Bestreben immer dahin ging, mich durch Beförderung des Guten unter der academischen Jugend des Augenmerks eines Hochverordneten Senats würdig zu machen; und bitte ich daher ganz gehorsamst um die gütige Zustimmung in mein Gesuch, auch habe die Ehre mit vollkommensten Respect zu beharren.
Eines Senatus amplissimi
ganz gehorsamster Diener
Lehmann, Professor extraord.
Königsberg, den 14ten Febr. 1804
praes. d. 22. Febr. 1804
P. M.
E. Senatuii Amplissimo habe die Ehre, in der Anlage die Consignation des Gehalts und der Emolumente des Prof. Kant ganz gehorsamst zu überreichen.
Gensichen
d. 22. Febr. 1804
Copia
Consignation
des Gehalts und der Emolumente des am 12. Februar 1804 verstorbenen ordentlichen Professor der Logik und Mataphÿsik
Herrn Immanuel Kant
nach dem pro 1. Juni 1801/07 confirmirten Etat
gefertigt
von dem Rendanten
Joh. Fr. Gensichen
Der Herr Prof. Kant hat an Gehalt und Emolumenten gehabt
I. Als Professor der Logik und Metaphysik
1. Salarium 166 rt 60 gl –
2. Zulage 86 79 16 1/5 d
3. Accise [Klammer 1. bis 3.:] quartaliter fällig 26 60 –
4. Mühlengefälle (als annum und fällig d. 1. April) 4 – –
5. Thalheimsche Gefälle (als annum, fällig d. 19. Junii) 17 63 3
6. An Getreide, 44 Schffl. Roggen, quartaliter zu
berechnen, aber gewöhnlich erst im letzten Quartal
zu empfangen. Diese sind im Etat
a 40 gl p. Schffl. angeschlagen auf 19 50 –
7. Aus dem Stipendio Gerhard Janseniano,
(als annum fällig d. 31. Decbr.) – 75 –
8. An Zinsen aus der Philosophischen Facultät
(halbjährig Ostern und Michael) fällig 10 88 1⅛
9. Ex Signis Initiationis, (halbjährig Ostern und Michael
fällig) nach der Traction 27 17 15
10. An Censur-Gebühren nach der Traction – 6 –
11. An Holtz 5 Achtel, welche von der königl.
Holz-Kämmereÿ im ersten Quartal des Etat-Jahres
praenumerando geliefert werden. Diese sind
im Etat a 5 rt p. Achtel angeschlagen auf 25 – –
Summe als Professor 385 rt 43 gl 17d (17 19/40 )
II. als Senator
1. Wagnicksche Gefälle (als annum fällig d. 9. Febr) 4 rt 69 gl 12 d
2. Festthaler 9 – –
3. An Getreÿde 95 ½ Schffl Roggen
im Etat a 40 gl p. Schffl berechnet auf 15 7 –
4. An Detract, nach der Traction – 45 –
Latus: 23 rt 88 gl 12 d
Transport 385 rt 43 gl 17 d
Noch II. als Senator Transport 23 rt 88 gl 12 d
4. Ex Stipendis
a. ex Lindstaedtiano
(halbjährig in Ostern und Michael zahlbar) 1 rt 60 gl –
b. ex Scharffiano majori
(als annum fällig d. 28. Octbr) 3 30 –
c. ex Groebeniano altero
(als annum fällig d. 1. Junii) 7 30 –
d. ex Kÿnkeano (als annum fällig d. 28. May) 2 – –
e. ex Fischeriano (als annum fällig d. 31. Decbr.) 4 49 -2
f. ex Straubeano (als annum fällig zu Michael) – 81 15
19 – 70 – 17
Summe Senator 43 rt 69 gl 11d
III. Als Senior der philosophischen Facultät
Ex Legato Rohdiano
(bis zum Sterbetage zu berechnen) 100
IV. Als außerordentlicher Zulage aus der
Königl. Ober-Schul-Casse 220
Summe 749 rt 23 gl 10d
Nota 1. Die Proffessur der Logik und Metaphysik trägt also an Gehalt und Emoluenten incus. der Natural-Leistungen, wenn letztere nämlich 44 Schffl Roggen und 5 Achtel Holtz, nach dem im Etat angenommenen Preisen a resport 40 gl p. Schffl und 5 rt p. Achtel berechnet werden,
in Summa 385 rt 49 gl 17d
Nota 2. Die Annua-Gebühren den Erben des Herrn Prof Kant bis zu dem ersten Termino ad quem nach dessen Sterbetage
Nota 3. Das Emolument ex Signis Initiationis erhält ein Prof. der philosophischen Facultät nicht eher, als bis er das Decanat geführt hat.
An E. Erlauchtes Ober-Curatorium zu Berlin und
E Exc. Ost. Pr. Etatsministerium
Tit Regis.
Ew. Kön. Maj. ermangeln wir nicht über den empfindlichen Verlust, den unsere Universität durch das Absterben unseres berühmten Prof. Kant erlitten, allerunterth. Bericht abzustatten.
Nachdem wir den ersten Empfindungen der Betrübnis über diesen Todesfall Raum gegeben und die sterbliche Hülle des Verewigten anständig zur Erde bestattet haben, so richtet sich allerdings unser erstes Augenmerk auf die Sorge, Kants Stelle auf die möglich würdigste Art wieder zu besetzen, wozu wir aber Ew. Kön. Maj. noch keine bestimmte Vorschläge zu machen im Stande sind.
Zwar haben sich die beiden Professores extraordinarii Wlochatius und Lehmann sowohl bey der philosophischen Facultaet, als auch bey dem academischen Senat, – und wie wir ex Rescripto Clementissimo de dato d. 16. Febr. c. ersehen auch bey Er Erlauchten Ostpreuss. EM zu dieser Stelle gemeldet. Wir ergreifen daher die Gelegenheit, den uns allergdst. aufgegebenen gutachterlichen Bericht über die Qualification dieser beyden Competenten zu der vacanten Stelle allerunterth. zu überreichen.
Zuvörderst erhellet auch die Zuschrift der philosophischen Facultät, an den Senat, wovon wir Copiam beyzulegen nicht ermangeln, doch
diese bey der zweckmaeßigen Wieder-Besetzung des Kantschen Lehrstuhls am naechsten interessirte Facultaet, keinen dieser beyden Competenten ihre Stimme giebt und es lieber haben möchte, dass die Stelle vorerst noch unbesetzt bliebe, als dass sie einem dazu nicht gantz fähigen Mann zu Theil werden sollte.
Wir sind in Rücksicht der beyden angeführten Competenten mir der philosophischen Facultät gantz einverstanden. Der Prof. Wlochatius ist bey seiner Anhänglichkeit an die Crusiussche Philosophie, alt und grau geworden, hat mit seinem Zeitalter in den Fortschritten der Philosophie nicht Schritt gehalten und ist mit ihrem jetzt herrschenden Gang zu wenig vertraut, als dass wir es wagen dürften, ihn als Kants Nachfolger vorzuschlagen. Der Professor Lehmann hat sich zwar in seiner Dissertation pro loco als einen speculativen Philosophen angekündigt, allein seine Philosophie scheint uns noch nicht die Politur und Ausbildung erlangt zu haben, die wir sehr wünschen, um ihn in der Folge bey einer etwaigen anderweitigen Vacantz in Vorschlag bringen zu können.
Was nun aber für jetzt die Wiederbesetzung des Kantschen Lehrstuhl betrifft, so sind wir zwar, wie wir oben schon anführten, noch nicht,
im Stande bestimmte Vorschlaege diesfalls zu machen, wir hoffen aber in Kurtzem, einen oder andern der bereits angesetzten Lehrer als einen würdigen Nachfolger Kants zu nennen und als solchen Ew. Kön. Maj. unterth. empfehlen zu können.
Eine Consignation des von dem sel Kant genossenen Gehalts überreichen wir zu gleicher Zeit allerunterthhänigst und verharren in tiefster Devotation.
Ew Kön. Maj.
allerunterth, treuergebenste, gehorsamste
Rector p.p.
Kb. d. 11ten Mart. 1804