Kant an der Universität
Kant als Student, Magister und Privatdozent
Kant als Student, Magister und Privatdozent
Werner Stark
Am 20. Juli 1740 ist Friedrich II. als der dritte Preußische Herrscher und Nachfolger seines kurz zuvor verstorbenen Vaters Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) in Königsberg inthronisiert worden. Für Immanuel Kant und dreizehn weitere Schüler des Königsberger Fridericianums beginnt mit ihrer Immatrikulation am 24. September desselben Jahres ebenfalls eine neue Lebensphase. Sie werden vom Rektor der Universität in die Universitäts-Matrikel aufgenommen, wodurch sie zu „akademischen Bürgern“, d. h. Angehörigen der 1544 begründeten Albertina werden. Für Kant selbst währt dieser Status bis zu seinem Tod im Februar 1804.
Wenig bis gar nichts ist als gesichert ermittelt über den Studiengang und ursprüngliche Interessen des jungen Immanuel. Nichts deutet in seiner Herkunft darauf hin, dass er in den letzten beiden Jahrzehnten seines Lebens zu einem der einflussreichsten Philosophen nicht nur im deutschen Sprachraum heranreifen sollte. Trotz der vielfältigen Bemühungen der biographisch orientierten Kant-Forschungen (vor allem der in Königsberg selbst) kennen wir kein bestimmtes Ziel seiner Studien, auch wenn durch biographische Auskünfte von Zeitgenossen (Mitstudenten, Schülern und Kollegen) der Besuch einzelner Lehrveranstaltungen bezeugt ist. Derartige Auskünfte nehmen nicht alle Bezug auf die Theologie – diejenige Fakultät, der vor allem durch Philipp Melanchton (1497-1560) geprägten, reformierten Universität rund der 80 % der Studenten zu Kants Zeit in Königsberg angehörten. In deutlich geringerem Maß dient die Universität der Ausbildung der beiden anderen akademischen Berufe: Arzt (Medizin) und Jurist (Recht). Im Ablauf des damaligen Studiums gehen diesen drei so genannten oberen Fakultäten die Vorlesungen an der unteren, der Philosophischen Fakultät voraus – insbesondere in den philosophischen Teildisziplinen: Logik, Metaphysik, Naturrecht und (natürliche) Moral sollten die Studenten essentielle Grundbegriffe der Gelehrsamkeit erwerben. Im Nachhinein ist wichtig zu wissen, dass keine dieser Fakultäten unmittelbar in einen Beruf geführt hat; denn es galt zu jener Zeit das Prinzip einer berufsgebundenen „Eingangsprüfung“ und nicht – wie heute im Allgemeinen üblich – das einer schulischen oder universitären Abschlussprüfung. So darf es nicht verwundern, dass weder Kant noch z. B. Goethe (Jura) oder Schiller (Medizin) am Ende ihrer Studienzeit ein Abschlusszeugnis der Universität erhalten haben; auch eine förmliche Exmatrikulation fand nicht statt.
Das für heutige Verhältnisse frühe Eintrittsalter von Kant (16 Jahre) war keineswegs ungewöhnlich, sondern Durchschnitt. Es gilt zu bedenken, dass die tradierte Latein- oder Gelehrten-Schule nur sechs Jahre umfasste. Die Schulabgänger waren demzufolge rund drei Jahre jünger als heutzutage nach einem 9-jährigen Gymnasium, dem ja – wie im 18ten Jahrhundert und in den meisten deutschen Bundesländern auch heute – eine 4-jährige Grundschule vorausgeht. Die für Kant anzunehmende Zeitdauer des Besuchs von Lehrveranstaltungen ist ebenso wenig bestimmbar, wie die Themen der von ihm in Königsberg gehörten Vorlesungen. Blickt man auf die Fächer bzw. Fakultäten der namentlich bekannten Mitstudenten, so ergibt sich ein vielfältiges persönliches Umfeld: Theologie, Jura und Medizin sind vertreten. Jedoch bleibt Kant einzig mit dem Jahre später in Königsberg praktizierenden Mediziner Johann Gerhard Trummer (1729-1793) durch ein wechselseitiges „Du“ verbunden. Diese damals eher seltene Anrede lässt auf eine, nicht näher bekannte Gemeinsamkeit oder Vertrautheit während ihrer Studienzeit schließen.
Vor dem dargelegten, zeitgenössischen Hintergrund sind zwei Auffälligkeiten zu verzeichnen. Erstens: Anders als einige seiner Kommilitonen hat Kant nicht an den vielfältigen universitären Festakten mitgewirkt, die das 200ste Gründungsjahr der Universität im Sommer 1744 begleitet haben. Von Trummer ist z. B. überliefert, dass er am 7. September in „einer lateinischen Rede mit vieler Fertigkeit“ aktiv teilgenommen hat. Zweitens: Kant hat als nichtgraduierter Student ein umfangreiches Buch veröffentlicht, das – in heutigen Begriffen – zu einem grundsätzlichen Problem der damaligen Physik Stellung nimmt: „Gedanken von der Wahren Schätzung der lebendigen Kräfte“. Beide Umstände nähren die Vermutung, dass der junge, selbstbewusste Immanuel Kant Distanz hielt zur dominierenden religiösen Richtung in Stadt und Universität: dem Pietismus hallensischer Prägung, der auf August Hermann Francke (1663-1729) zurückgeht.
Das genannte Buch trägt die Jahreszahl 1746 auf dem Titelblatt ist jedoch – unklar warum genau – erst im Lauf des Jahres 1749 erschienen. Einer der Gründe ist wahrscheinlich in dem Umstand zu sehen, dass Kant zeitweilig nicht am Druckort Königsberg gelebt hat. Davon zeugen unter anderem zwei Briefe von Kant, mit denen er unter demselben Datum (23. August 1749) und der Ortsangabe „Judtschen“ (ca. 100 km Luftlinie östlich von Königsberg, nahe Gumbinnen) Exemplare seines Werkes nach Göttingen und vermutlich Berlin (oder Petersburg) an herausragende Gelehrte seiner Zeit versandt hat. Kants Gedanken entpuppten sich auch für ihn selbst recht bald als „Fehlschlag“, denn es gab schon längst eine überzeugende Lösung für das behandelte Problem. Auch in der Folge hat Kant mehrere Jahre außerhalb der Stadt als „Hauslehrer“ zugebracht und so seinen Lebensunterhalt erworben. Mehr noch, er muss diese Zeit zu intensiven eigenen Studien benutzt haben, denn gleich nach seiner Rückkehr nach Königsberg strebt er zügig eine akademische Karriere an. Er veröffentlicht zwei kurze Aufsätze in den „Wochentlichen Königsbergischen Frag- und Anzeigungsnachrichten“, die jeweils am Sonnabend erscheinen. Die Königsberger Gelehrten, vor allem der Universität, waren gehalten, darin über Themen zu schreiben, die für eine allgemeine Öffentlichkeit von Belang waren. Kants Aufsätze sind im Juni und August 1754 erschienen. In der Sache sind sie der modernen „Newtonischen Physik“ verpflichtet, die eine mathematische Beschreibung bestimmter Naturphänomene beinhaltet. In der zuerst erschienenen Arbeit über die „Achsendrehung der Erde“ wird zugleich die eigene im folgenden Jahr erscheinende „Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels“ angekündigt. Der zweite Artikel behandelt die Frage „Ob die Erde veralte?“. Beide Aufsätze sind ebenso wie das nachfolgende große Werk des Jahres 1755 geprägt von dem Grundsatz: „theologisch“ oder „religiös“ bestimmte Auffassungen oder gar Theorien sind strikt zu trennen von einer wissenschaftlichen Erforschung der Natur.
Im Jahr 1755 feiert die Stadt ihren 500sten Gründungstag. Im März desselben Jahres schließt Kant sein Werk ab. Es erscheint anonym, d. h. ohne Nennung des Autorennamens, und allem Anschein nach ist die erforderliche Zensur durch die Universität vermieden oder umgangen worden. Daneben tut Kant den ersten, unmittelbar wirksamen Schritt in Richtung auf ein akademisches Lehramt: Am 17. April legt er der Philosophischen Fakultät die Handschrift seiner Prüfungsarbeit vor: „Meditarum quarundam de igne succincta delineatio“ (Kurz: Vom Feuer). Das nicht öffentliche, mündliche Examen fand am 13. Mai statt, bevor die Promotion mit der ersten öffentlichen, lateinischen Rede am 12. Juni feierlich abgeschlossen wurde. Eine Publikation der Magister-Arbeit als Druckschrift war an der Albertina in Königsberg nicht erforderlich. Kant war nun, wie es in der lateinischen Urkunde heißt, zum „Doctor Philosophiae“ ernannt und durfte den akademischen Grad eines „Magister“ führen. Als Kennzeichen dieses Titels benutzt Kant das dafür übliche Kürzel „M“ auf Titelblättern seiner in den 1760er Jahren erscheinenden Publikationen. Die gesamten, in Königsberg vergleichsweise hohen, Kosten des Verfahrens waren vom Promovenden zu tragen; überliefert ist, dass ein Verwandter Kants sich an diesen Aufwendungen beteiligt hat.
Nach erfolgreich absolvierter Prüfung begann Kants Zeit als Privatdozent. Soweit wir wissen, bot er ab dem Winter 1755/56 seine Vorlesungen stets in deutscher Sprache an, obwohl einige der zugrunde gelegten Lehrbücher lateinisch abgefasst sind und obwohl durch Archivalien gesichert ist, daß er in den ersten Jahren seiner akademischen Lehrtätigkeit Privat-Kollegien über Römischen Stil (also lateinische Sprache) gegeben hat. Für die Kollegien waren von den Studenten je vier Reichstaler Honorar zu zahlen. Hatte ein Student die Lehrveranstaltung regelmäßig besucht, erhielt er eine Bescheinigung. So etwa Carl Gottfried Hagen, dem Kant 1769 bescheinigte, dass er seine Vorlesungen „mit rühmlichen Fleiße“ besucht habe. Aus der Privatdozentenzeit sind leider kaum Kolleghefte von Studenten oder andere genauere Berichte überliefert, sodass wir wenig über die genauen Inhalte der Lehrveranstaltungen wissen. Prüfungsberechtigt war Kant erst ab 1770, also mit der Übernahme der Professur. Seinen Lebensunterhalt in dieser Zeit verdiente er auch als Subbibliothekar der Universität.
Obwohl Kant also rund 15 Jahre auf eine ordentliche Professur warten musste und zwischenzeitliche Bewerbungen (1758) an seiner Alma Mater erfolglos waren, blieb er der Königsberger Universität treu und lehnte Stellenangebote anderer Lehranstalten ab.
Ein- und Ausgaben des Dekanats der Philosophischen Fakultät für das Jahr 1755. Aufgeführt sind auf Blatt 298 die Bezahlung von 150 Reichstalern „Von Herrn Magister Kant wegen der Magister Promotion“.
Unser gnädigster Wille. Königsberg, d 25 Aug.
1755
Wallenrod, v. d. Groeben, v. Rohd u. Tettau
public. d. 4 Sept. a.c.
III
Sequens Amplissime Senatus Conclusum in-
timationem praelectionum a Professoribus
Extraordinariis et Magistris habendarum con-
cernens, omnibus Professoribus Philos. Extraord.
ex Magistris perlegendum, transmittebatur
die XIV. Aper.
Actum in Ordin Senatus Academici
Consessu d. 9. Apr. 1755
Ein Ampl. Senatus schließet, daß die Herrn
Doctores, Professores Extraord. u. Magistri Philo-
sophiae nicht eher ihre in dem neuen Semestri
zu haltende Collegia de tabula publica intimi-
ren sollen, als bis der Catalogus Lectionum
ausgetheilet, und die Herrn Professores Ordi-
narii ihre Collegia bekand gemacht; wie denn
der Anschlag in Lateinischer, und nicht anders
als mit Vorwißen der Rectoris Academia
in teutscher Sprach geschehen muß
ex officio extradidi
Dan. Heinr. Christ
Secr. Acad. Adj.
IV.
Honoris Magristri Philosophiae, specimine
physico de Iyne exhibito, sibi expetiit
Candidatus
Emanuel Kant, quos etiam post exa-
men rigorosum die XIII. Maj: habitum,
die XII Jun: obtinuit, natali Decani
Brabentae septuagesima.
V.
Die VIII. Jul: Venerandus Facultatis Phi-
losphicae Senior, ex Spectabilis Decanus
diem obiit Supremum cuius inopinata,
morte Pro-Decanatus prouincia in me
deuoluebatur.
VI.
Die IX. Jul: in consessu Senatus Ampl.
ordinario Professor L. O. Extraordinarius
Georg. David Kypke, vt O. O. L. L. Pro-
fessor Ordinarius introducebatur, qui
Senatui Ampl. sequens infinuauerat
rescriptum regium
Friedrich König pp
Wir geben Euch aus der abschriftl. Anlage zu ersehen, was an Uns der Professor extr. George David Kypke sub dato d. 27. Maj geneigthin aller unterthänigst gelangen laßen. Wann Wir des Repplicanten Ansuchen, bewandten Umstande nach, in der Billigkeit gegründet finden: So gehet auch Unsere Höchste Willens-Meynung dahin, daß derselbe dem Professori Hahn, nach dieses letzteren erfolgenden Absterben als Professor Ordin. L. O. und als In…
per Semestre Astivum
anno 1756
Rectore Academiæ
Magnifico
Viro
Summe Reverendo Amplissimo et Excellentissimo
Christophoro Langhansen
S. Theol: Doct: ejus d: et Mathem: Prof:
Ordin: Celebr: S. K. M. Conciona-
tore Aulico Primario Adjuncto,
et in Consist: Brussie: Consiliario,
Regrorum Alumnorum, Collegii Aca-
demici et Communis Convictor In-
spectore Primario, Acad: Reg: Scient:
Berolin: Membro
Acta Præcipua
Decanatus Sui
consignavit
Johan David Kypke D.
Logic: et Metaphÿs: Prof Ordin:
VII
Collegia indicarunt
Domin: Magister Halter prælecturus
Ebraica Chaldaica Sÿriaca etc.
Dn: Magister Kant docturus
Cursum Philos: et alia
VIII
Index per hoc Semestre
Initiatorum
Mens: April
die 26. Gottlieb Weiss Rastenburg: Boruss:
Christophorus Guttjahr Rastenb: Bor:
Johann Christph Zantop Rastenb: Bor:
- Daniel Friedr: Döllen Söllenthin Marck:
Georg Sigism: Corvinus Pritzwalda Marck:
Christian Ernst Saath Bartenst: Bor:
- Joh: Gottfr: Pfefferkort Gumbin Bor:
Mens: Maj
- Carl Philip Heilsberger Ragnista Bor.
expertus sum documenta; haec vtinam in posterum quoque nil nisi fata ominarentur dulcissima mihi. Attamen Vestro susfultus auxilio certissime gaudiorum adfluentiam- Sperare iubeor. Sic est, commendatione quadam singulari Amplissimum ad Senatum Academicum arrideatis quaeso fortunae meae fortiter stabilien dae, et perficiatis sienul, vt Professionem Logices et Metaphÿsices Ordinariam, quam beata morte extinctus Doctor Kÿpke vacuam reliquit, cujus autem desiderio iustissima potissimum mea suscitantur vota, adipiscar, quo praeterea pectus. Vestrum vere amicum merito praedicandi occasio mihi haud deesse videatur optima. Valete
Regiomonti
d. XI. Decembr.,
A.S. cIↄ cIↄ cc LVIII.
Johannes Thiesen
Phil: et Med: Doctor
Osserebat etiam post scriptam jam relationem Clar: M. Immanuel Kant sequens petitum, quod Pro-Decanus in Consessu Senatus d. 13 Dec. praelegebat
Praes. D. 12 Dec: 1758
spät des abends
Amplissimae Facultatis Philosophicae
Decane Spectabilis
Summe Reuerendi Excellentissimi Ampliussimi
Domoni Assessores
Fautoris Summa reuerentia colendi
durch
Durch den Tod des weÿl. hochehrw. Doct. und
Profess. Theol. Ordin. ingleichen Prof. Ordin. der
Logic und Metaphysik Herrn Kÿpke ist die
letztere Professio Ordinaria erledigt worden.
Da meine vorzügliche Neigung jederzeit
auf die Cultur dieser Wissenschaften ge-
zielet ich auch sowohl durch meine bisheri-
ge pralectiones, darinn ich binnen jedem Semestri
dieselbe vorgetragen, als auch durch einige, theils
in diese, theils in andere philosophische Wissenschaft
in einschlagende Abhandlungen, nemlich 2 öffentli-
che dissertationes, 4. Abhandlungen in dem Intelligentz
Wercke 3. programmata und 3. andere Traktata eini-
ge Proben meiner Bemühungen habe abzulegen
gesucht: So stelle es einem beneigten Urtheile
Amplissimae Facultatis Philosophiae gehor-
samst anheim ob ich mir schmeichlen könne mich
einigermaaßen zum Dienste dieser Academie
in benanten Wissenschaften qualificirt zu
haben.
Anbeÿ gehet mein gehorsamstes Ansuchen
dahin: daß beÿ Besetzung der erledigten Profes-
sion, Amplissima Facultas Philosophica hoch
geneigte
geneigte Reflexion auf mich zu machen belieben mö-
ge und dero Assistentz mit wolle angedeyen laßen.
Ich bin mit dem größten respect
E. Amplissimae Facultatis Philosophicae
gehorsamster Diener
M. Immanuel Kant
Königsberg, d. 12. Dec 1758.
Professionem vacantem Vir praenobilissimus
et Excellentissimus Fridericus Johannes Buck
I.U.D. et Prof. Math. Extraordinarius impetrauit
III.
D.13 Decembr. Excellentissimus Prof. Polit. Ordinari-
us Carolus Andreas Christiani in locum in
Senatu vacantem introducebatur
IV.
Senatus Mietaviensis literis d. 5. Januarÿ 1759 datis
rogabat Amplissinam Facultatem Philosophicam,
vt virum nominaret eruditum, qui ad vacans Re-
ctoris Scholae Mietaviensis officium vocari posset.
Commendabat Facultas doctissimum Professorem
in hac Academia Poeseos extraordinarium Matthi-
am Fridericum Wattson, qui munere hoc in cum
collato oratione germanica praesente Illustrissimo
regni Gubernatore d. 20 Aprilis Academiae publice
valedicebat
ab extra:
der hiesigen Philosophischen Facultät
pflichtmäßiger Bericht
wegen der diesen Semestri von den Professoribus angefangenen öffentlichen und besonderen Vorlesungen
In consessu Facultatis ad tenorem mandati Regii d. XXVI. Septembr. habito, de praelectionibus futuro Semestri Instituendis deliberabatur. Relatio, quam de Collegiis finitis et aperiendis Amplissimo Senatui Facultas et exhibetat, sequens erat:
Rector Academiae Magnifice
Illustris Cancellarie atque Director,
Viri Summe Reuerendi, Jure-Consultissimi,
Experientissimi;
Amplissimi et Excellentissimi Sanatores.
Ew. Magnificence, Ew. Wohlgebohren, und E. Amplissimo Senatui communiciret Facultas Philosophica schuldigst den Indicem der von den Professoribus Philosophiae Ordinarii im jetzt abgelaufenen Sommer-halben-Jahre gehaltenen öffentlichen Vorlesungen ein. Zugleich erinnert sie sich auch des Königlichen Rescripti d.d. 23 Maii 1764, und hat wegen der im künfitigen Semestri zu haltenden Praelectionen nach der Vorschrift der Erlauchten Königlichen Regierung in einem deshalb angestelleten Consessu gehörige Verabredung genommen.
Die Collegia publica et priuata, so im Semestri hiberno werden gehalten werden, sind folgende: Der jetzigen Decanus, der Professor Eloquent. et Histor. Ord. Werner, wird publice von 9. bis 10. Montag, Dienstag, Donnerstag und Frÿtag, in 2 Stunden das 1te Buch der Geschichte des Livius
durch-
durchgehen, so, daß er dabeÿ zugleich auch die Schönheit der Sprache dieses Schriftstellers, und auf die Erörterung der Alterthümer reflectiren wird, in der 3ten Stunde in der Woche wird er Praecepta Stili geben, und sie erklären, und in der 4ten wird er die von seinem Auditoribus ihm überlieferte Praxes corrigiren. Priuatim continuiret er das Collegium Stili vtriusque theoretico-practicum nach seinem eigenen Dictatis, wobeÿ auch die historiae selectae expliciret werden, welche Stunde er in eben diesen Tagen von 11-12 halten wird.
Der Prof. Phÿsic. Ord. Teske wird nach Wolffen Anleitung die Phÿsicam Specialem nach Mittag von 3. bis 4. publice und die Experimental-Phÿsic von 11. bis 12. des Morgens priuatim lesen, in welcher er die vernehmsten Experimente, welche von Zeit zu Zeit bekannt geworden sind, anstellet, und Wolffen und Hambergern vornehmlich zum Nachlesen recommendiret.
Der Prof. Phil. pract. Ord. Christiani wird h.1. das Jus Natur Politicum vortragen; priuatim aber h.8. nach dem Compendio Thümmigii Phÿsicam experim. et theoretic., h. 9. nach Wolffen Auszug Mathesin puram, h.10. Mathesin adplicatam, h.4. über Baumeistern die Logic lesen.
Der Prof. Graec: Litterat. Ord. D. Bock wird publice von II-III die Bücher des N.T. in der griechischen Sprache zu lesen von neuem anfangen, den Grundtext aus der Grammatik und Philologie erläutern, die schwere Stellen nach bisheriger Gewohnheit erklären, und jedem Buch eine kurze Anleitung in daßselbe voranschicken. Sollten sich genügsame Zuhörer finden, so gedenket er wöchentlich zwo Stunden, nemlich des Sonnabends von X. bis XII. die Naturgeschichte nach Anleitung der berühm- te-
testen und neuesten Schriftsteller vorzutragen, und so wohl die im Preußischen Naturalien-Cabinet befindlichen Cörper aus dem Thier-, Pflanzen-, und Foßilien-Reich selbst, oder die schönsten und ähnlichsten Abzeichnungen davon vorzuzeigen und von deren Kennzeichen, Ursprung, Geburthsort, Zusammensetzung und Nutzen in der Arzeneÿ, Wirthschafft und Handlung, wie auch in den Kunststätten und Manufacturen zu handeln, und überall Gottes unendliche Macht, Weisheit und Güte zu entdecken.
Der Prof Oriental. Linguar Kÿpke wird öffentlich von 8-9. den Pentateuchum cursorie und Philologice durchgehen, und priuatim von 1-2. viermahl in der Woche ein Collegium fundamentale et Analÿticum in Genesin halten.
Der Prof. Logic. et Metaphÿs. Ord. D. Buck wird publice von 7-8. die Metaphÿsique cursorie über des sel. Knutzen Dictata, priuatim vier mahl die Woche von 8-9. Mathesin applicatem, von 9-10. Math. puram, beÿdes über Wolffen, von 10-11. die Metaphÿs. über den Baumeister, von 2-3. die theoretische Phÿsique, 3-4. die Metaphÿs., beÿdes über Knutzen Dictata, von 4-5. Mathes. applic. über Wolffen, Mittwoch und Sonnabend von 8-10. die Logic über Knutzen, und von 11-12. die Experimental-Phÿsic über eigene Dictata lesen.
Der Prof Eloqv. et Hist. Extraord. Hahn wird Mittwoch und Sonnabend von 10-11. Cluueri Epitomen Histor. öffentlich erklären, und priuatim in den anderen Tagen von 8-9. ob er gleich noch zur Zeit nur einen Zuhörer hat, die griechische Sprache dociren.Der M. Halter wird in der Hebräischen Sprache Unterricht geben. der
Der M. Kant wird in den Morgenstunden von 8-9. die Theoretische Phÿsic nach dem Eberhard, von 9-10 die Logic nach Meiern, von 10-11. die Philosoph. Pract. vniuers. und die Ethic nach Baumgarten, und von 11-12 die Metaphÿs. nach eben diesem Autore leßen, kann aber wegen der Stunden noch nichts ganz gewißes bestimmen.
Der D. und M. Thiesen wird, wenn er Zuhörer bekommen sollte, in Philosophicis und Rhetoricis nach Gottscheden und Freÿers Anleitung Unterricht geben, kann aber ebenfalls noch keine Stunde bestimmen.
Der M. Pisanski wird Montag, Dienstag, Donnerstag und Freÿtag von 10 bis 11. über Heineccium und eignen Dictata ein Collegium Stili Latini et Teutonici, ingleichen ein Collegium über die Vniuersal-Historie, und ein Philologicum über das N.T. halten, von welchen beÿden letzten Vorlesungen noch zur Zeit die Stunde nicht bestimmt werden könne.
Der M. Weÿmann wird viermahl die Woche von 5-6 die Methaphÿs: über den Crusius, und von 11-12 das Jus Nat: et Gent. über eignen Dictata, Mittwoch und Sonnabend aber von 3-5 über den Crusius die Logic und Methaphÿsic dociren.
Der M. Schlegel wird 6mahl die Woche von 3-4 über Waldini Auszug aus der Reuschschen Metaphÿsic lesen, viermahl von 9-10 über den Reimarus die Logic, von 10-11 über den Basedow die Oratorie, und von 11-12 nach dem Essig [!!] die Politische Historie, Mittwoch und Sonnabend von 9-10 nach Basedows Anleitung die deutsche Poesie, auch von 2-3 viermahl in der Woche nach dem Heineccius den lateinischen Stil.
Der M. Reusch wird von 10-11 in der Metaphÿsic nach dem Waldinus, von 11-12 in Mathesi pura nach Wolffen, beÿdes alle 6 Tage in der Woche, ferner von 9-10 in der Logic nach Meiern, und von 2-3 oder v. 3-4 in der Optic, Catoptric und Dioptric nach Wolffen Unterricht geben.
Der
Der M. Schmidt wird von 11-12 die Logic und Metaphÿsic, und von 2-3 die Moral und Phÿsic, beÿdes über den Crusius und 4 mahl in der Woche lesen.
Der M. Seeland wird Montag, Dienstag, Donnerstag und Freÿtag von 11-12 das Jus Nat. nach Anleitung des Puffendorfschen Werkes De officio hominis et ciuis dociren, und von 4-5 die vordersten Bücher des N.T. philologisch und critisch durchgehen, Mittwoch und Sonnabend aber von 2-4- die Fundamental-Historie nach dem la Croze vortragen.
Wir sind mit ausnehmender Hochachtung
Ew. Magnificence, Ex. Wohlgebohrenen und Amplissimi Senatus
dienstschuldigste,
Decanus und sämtliche
Professores ordinarii
der Philosophischen Facultät
Königsberg
Den 29ten Septbr.
1764
Junctus huic scripto erat Index Praelectionum
publicarum a Professoribus Philosophiae
in Semestri aestius habitarum, Regimini
Regio transmittendus.
ab extra:
Der Philosphischen Facultät pflichtmäßiger Bericht von den a Professoribus Philos. Ordinariis im Sommer-halben-Jahr gehaltenen, ingleichen von den von den Professoribus Phil. so wohl , als Priuat-Docenten im künftigen Semestri hiberno anzustellenden Vorlesungen.
Daß der Studiosus Juris Herr Carl Gottfried Hagen meinen philosophischen Vorlesungen mit rühmlichen Fleiße beÿgewohnet habe bezeuge hiemit.
Königsberg d. 14 ten Novembr. 1769 M. Immanuel Kant